In diesem Buch gibt es zwei wichtige Orte: die Hauptbücherei am Wiener Gürtel und eine Galerie in Graz. Eine dort geplante Performance bildet den Höhepunkt des Buches, wie mit einem Vorspiel und einem Nachspiel sind die Geschichten, die damit zusammenhängen, und die handelnden Personen des Buches um diese Geschehnisse gruppiert. Dann gibt es das Motiv einer Reise, die teilweise geplant, teilweise durch Zufälle gelenkt wird. Das ist überraschend und gut nachvollziehbar, sowohl die Route als auch die innere Situation der reisenden Therese. Sie ist mit Karoline, einer Bibliothekarin der Hauptbücherei befreundet, die sich um sie sorgt. Diese Verknüpfung wird noch dadurch verstärkt, dass Therese die Künstlerin Jovanka kennt, die in der Galerie auftreten soll. Beide Frauen sind mit der Bibliothekarin und deren jüngerer Schwester befreundet. Die Kontakte und Gespräche dieser Frauen laufen vorwiegend über SMS-Nachrichten.
In der Bibliothek treffen ein Jus-Student und die Schwester der Bibliothekarin, sie studiert ebenfalls, aufeinander. Von Anfang an ist eine erotische Anziehung bzw. ein Interesse zwischen den beiden erkennbar. Der JUS-Student Fabian ist allerdings auch politisch ziemlich naiv in einer rechten aktionistischen Biergemeinschaft junger Burschen. Deren Denkweise (und Unsicherheit) und Herkunft aus rechten Kreisen wird eindringlich geschildert. Es mischen sich bei den Jungen Abenteuerlust und nicht durchdachte Stereotype und Vorurteile. Fabian ist sich seiner Meinung so sicher, dass er das junge Mädchen in seine Kreise bringen und überzeugen möchte. So erfährt sie auch, was für eine Aktion in der Grazer Galerie geplant ist. Sie kann das nicht verhindern (Scheisse-Bomben werden geworfen), zeigt Fabian aber bei der Polizei an. (Jovanka wird bei dieser Aktion verletzt.) Sein späterer nochmaliger Versuch, sie zu gewinnen, scheitert an der politischen Grundhaltung beider.
Diese Ereignisse werden von einer Rahmenhandlung begleitet: Dorothea Wewerka ist eine Frau Mitte 30, die im Geheimen einige Wochen in der Bibliothek wohnt, da sie obdachlos ist. Wie sie damit zurechtkommt, wird genau geschildert. Sie muss aufpassen, nicht gesehen zu werden, vor dem Öffnen der Bibliothek aufwachen und auf die Toilette verschwinden usw. Da sie viel Zeit hat, ist sie eine genaue Beobachterin und beginnt auch Gespräche mit der Bibliothekarin Karoline und dem jungen Fabian. Auf diese Weise verknüpft die Autorin Jancak die Geschehnisse miteinander. Zuletzt wird - und das überrascht - klar, dass Dorothea die Situation einer Obdachlosen gewissermassen nachgespielt hat, um eine entsprechende Arbeit schreiben zu können. Am Ende des Buches ist ihr das gelungen, sie gibt den Schlüssel an Karoline zurück. Das ist logisch kaum nachvollziehbar, denn welche Angestellte riskiert ihren Job, damit eine Frau im Abstellkammerl des Betriebes wohnen kann? Jedenfalls macht das besser erklärbar, warum einander unbekannte Personen (Karoline und Dorothea) so viel miteinander sprechen und ins Kaffeehaus gehen wie alte Freundinnen. Es gibt zeitgeschichtlich aktuelle Bezüge (Bundespräsidentenwahl), die geschickt eingebaut werden. Die Lebenswelt von unterschiedlichen Realitäten (gutbürgerliche Akademikerfamilie versus arbeitslose und/oder psychisch instabile Frauen) wird gut verständlich dargestellt. Stilistisch ist einiges zu kritisieren. Es gibt mehrmals Sätze mit 10 - 13 Zeilen. Da wünschte man sich einige Punkte dazwischen oder wenigstens stringentere Argumentation und Themen innerhalb des Satzes. Dann lässt der pädagogische Zeigefinger bei den wiederholten Zusammenfassungen an Schulbücher denken. Die Dialoge sind an manchen Stellen eigentlich lange Monologe. Es ist kaum vorstellbar, dass jemand so lange einfach nur einem anderen zuhört. Dadurch, dass sich manches nur als Gedanken darstellt, gibt es erzählerische Vor- und Rückgriffe, wobei die dadurch komplizierte Zeitfolge falsch ist. Im Wortschatz gibt es einige Standard-Formulierungen, die wiederholt werden und typisch Eva Jancak sind.
Ruth Aspöck, 2017-12-17
Ruth Aspöck ist mit Eva Jancak befreundet und seit Jahren in einer nunmehr bereits eingeschworenen Gruppe von Schreibenden mit unterschiedlichen Lebensgeschichten aktiv. Dort entstand die Idee, zu diesem neuen Buch Eva Jancaks Vor dem Frühstück kennt dich keiner Kommentare zu schreiben.