Gute Kunst braucht Zeit produziert zu werden. Kann man ein Part time artist sein? Diese Fragen und noch andere stehen auf den Einladungen dieser Veranstaltung. Diese Fragen und noch andere wurden im Vorfeld heftig diskutiert und mit Erstaunen habe ich die Skepsis vernommen mit der die Relevanz dieses Themas in Frage gestellt wurde.
Schreiben und Beruf - Das interessiert doch niemanden, ist kein Thema, ist völlig unwichtig, kann nur mißverstanden werden. Mit Erstaunen diese Abwehr bemerkt und sie nicht ganz verstanden, denn eigentlich ist für mich die Tatsache, daß Dichter und Autoren einen Beruf haben, ganz selbstverständlich.
So war Franz Grillparzer beispielsweise Ministerial-oder Hofrat oder wie immer sein Amtstitel damals lautete. Das Hofkammerarchiv in der Johannesgasse in dem er gearbeitet hat, kann man als Wien-Tourist oder literarisch Interessierter heute noch bewundern, ein höherer Beamter halt.
Arthur Schnitzler war Arzt und Paulus Hochgatterer, Autor von mindestens vier bedeutenden Gegenwartsromanen, ist das heute noch. Psychoanalytiker und Kinderneuropsychiater am Rosenhügel und auch von unseren großen Brüdern, den Amerikanern, dringt laut und deutlich zu uns herüber, daß solches durchaus selbstverständlich ist. Die meisten der großen Autoren, die später den Nobelpreis erhalten, waren und sind Hochschulprofessoren, Anwälte, Juristen ect. und die Amerikaner vom Range eines Philip Roths sind auch deshalb so hoch angesehen, weil sie neben ihren großen Romanen an Colleges und Literaturseminaren das Creative Schreiben lehren, wie wir ja auch erst seit einigen Jahren durch die Amerikaner wissen, daß die Kunst des Schreibens durchaus etwas ist, daß sich lernen läßt und seither haben auch bei uns die Schreibwerkstätten und Schulen des Dichtens einen etwas beseren Ruf, während sie vorher geringschätzig den Volkshochschulen gleichgesetzt waren.
Es ist vielleicht aufgefallen, daß ich nur Männernamen erwähnt habe, was sicher interessant und auch historisch bzw. gesellschaftspolitisch zu erklären ist.
Während der Hofarchivdirektor Grillparzer seine letzten Dramen also grantig und depressiv im Schreibtisch seiner Amtsstube verstaute, waren seine weiblichen Kolleginnen damals die priveligierten adeligen Damen der besseren Gesellschaft, die überhaupt erst die Möglichkeit hatten, zur Feder und zur Tinte zu greifen und dann noch einigermaßen gehört zu werden. Berta von Suttner und Maria Ebner von Eschenbach wären hier zwei Beispiele. Adelige Damen der besten Gesellschaft, hochgebildet und von Beruf Hausfrauen und Gattinnen wahrscheinlich.
Heute fallen mir dazu Edith Kneifl als praktizierende Psychoanalytikerin und Olga Tokarcuk als Psychologin, Verlegerin und polnische Autorin ein, unter vielen anderen.
Poesie und Brotberuf also Widerspruch, Selbstverständlichkeit, etwas völlig Normales oder eine Unmöglichkeit?
Um diese Frage an mir selber zu beantworten: Ich habe ungefähr zwei Jahre vor meiner Matura gewußt, daß ich Psychologie studieren will, danach schwebte mir idealistisch veranlagt, eine Arbeit als Gefängnispsychologin, um die Welt zu verbessern, vor. Ungefähr zeitgleich habe ich mir vorgenommen zu schreiben und tue das nun seit fast dreißig Jahren schon. Immer neben und mit meinem sogenannten Brotberuf, vom dem ich auch tatsächlich lebe, als Psychologin und Psychotherapeutin, nachdem ich 1980 mit dem Studium fertig wurde.
Als Studentin hatte ich geplant, während des Semesters zu lernen und am Abend, am Wochenende und in den Ferien zu schreiben. Eine Trennung, die naturgemäß, vor allem in der Schreibaufbauphase nicht funktionieren konnte und trotzdem habe ich immer beide Identitäten gleichzeitig nebeneinander ausgeführt. Abwechselnd mal das eine, dann wieder das andere wichtiger genommen. Es war aber immer beides da. Im Jänner 1980 habe ich, wie erwähnt promoviert. Zu meiner ersten Veröffentlichung ist es ein halbes Jahr später gekommen. Während ich von 1973 bis Ende der Siebzigerjahre mehr oder weniger alleine ohne jede literarische Förderung, wie es in den Fünfzigerjahren, die Gruppe 47 oder das Cafe Raimund mit Hans Weigl etc. war, vor mich hingeschrieben habe, was für eine introvertierte, schüchterne junge Frau schwer genug war, habe ich Ende der Siebzigerjahre literarischen Auftrieb durch den Arbeitskreis schreibenden Frau bekommen und in der "Stimme der Frau", die es heute nicht mehr gibt, ist auch einer meiner ersten Texte erschienen.
1981 und 1982 kam es zu meinem eigentlich größten Erfolg, als ich mit einer meiner frühen Geschichten einen Wettbewerb des Verlags Jugend und Volk und dem damaligen Staatssekretariat für Frauenfragen gegen ein geschlechtsspezifisches Jugendbuch gewonnen habe, das dann einen Teil des Kinderbuchpreises der Stadt Wien bekommen hat. In den Literaturbetrieb, wie ich es mir wünschte, bin ich damit nicht hineingekommen, war damals aber vielleicht näher daran, als je danach.
Gleichzeitig habe ich mit meiner Psychotherapieausbildung begonnen und psychologisch zu arbeiten, genau wie 1973 geplant.
1984 wurde meine literarische Arbeit durch die Geburt meiner Tochter Anna unterbrochen, als ich 1986 wieder schreiben konnte, habe ich die Erfahrung gemacht, durch die natürlich unfreiwillige Schreibunterbrechung in meiner literarischen Entwicklung weitergekommen zu sein, eine Erfahrung die ich auch bei meinen ein-bis zwei weiteren Schreihemmnisphasen, die ich bisher hatte, erlebte.
1987 wurde ich in die Grazer Autorenversammlung aufgenommen, während ich auf der anderen Identitätsseite, meine Halbtagsstelle, an der Sprachambulanz der 2.HNO Klinik, nicht mehr verlängerte, sondern in die freie Praxis ging, in der ich nach wie vor tätig bin. Damals war ich auch offen vielleicht mehr freiberufliche Autorin zu werden, die finanzielle Unmöglichkeit von meinen Texten zu leben und auch die Unmöglichkeit einen Verlag zu finden, hinderten mich daran.
Als mich Friedl Jary 1986 oder 1987 bei einem Interview für Radio Österreich International fragte, ob mich meine psychologische Tätigkeit zum Schreiben anregen würde, konnte ich mit dieser Frage noch nichts anfangen.
Damals trennte ich offenbar sehr das eine von dem anderen, wie ich auch heute dafür noch unterschiedliche Namen habe, heute aber fließt mein Brotberuf und es ist ein solcher, ganz selbstverständlich in mein Schreiben ein und meine Themen sind, realistisch, psychologisch, frauenbewegt. Im Moment beschäftigt mich die Auseinandersetzung mit dem Literaturbetrieb und ist zu meinem Thema, dem Eva Jancak Thema, sozusagen geworden.
Natürlich hat es immer Phasen gegeben, in denen ich als Psychologin, Therapeutin, Supervisorin und Vortragende in Krankenpflegeschulen soviel gearbeitet habe, daß ich zum Ausarbeiten der Themen, die ich im Kopf herumgetragen habe, kaum oder eben wieder nur in den besagten Ferien oder Urlaubszeiten gekommen bin. Wo mein zweites Ich, der Brotberuf wichtiger war und es gab auch Zeiten, wo ich in der Ganzen Woche eine wöchentliche psychologische Kolumne hatte und ich zwei Fachbücher und Artikel über mein Spezialthema Stottern geschrieben habe. Heute weiß ich, daß das Sachbuchschreiben zwar eine Marktlücke ist, wo sich vielleicht ein Verlag finden läßt, aber doch nicht ganz das Richtige für mich und deshalb bin ich zu der Literatur zurückgekehrt.
1997 in den 5. Bezirk, wo ich ein Stückchen Garten habe und einen Gang, wo rechts meine Praxis, links mein Wohnbereich abzweigt ist und ich mich im Sommer zwischen meinen Stunden mit dem Laptop in den Garten setze und meine Texte korrigiere.
Wieder ist das Schreiben für mich wichtiger geworden und das, wo ich mich finden kann, während ich im Brotberuf mit den Sparpaketen, der Krankenkassa und der Bürokratie der Spitäler kämpfe und nach zwanzig Jahren Therapieerfahrung auch ein wenig ausgepowert, die Erfahrung mache, daß ich den anderen vielleicht doch nicht so helfen kann, wie ich es gerne möchte und da ist dann meine andere Seite vielleicht ein Ausgleich, für den ich nicht bezahlen muß, weil ich bei meinen Lesungen wenigstens die zwei Honorarzuschüße oder ein gelegentliches Honorar bekomme, während meine psychologisch-psychotherapeutischen Berufskollegen ihren Ausgleich in teuren Tauchkursen, Fernreisen, Paragleiten oder Segelfliegen suchen, was nebenbei betrachtet auch ganz schön gefährlich ist.
Daran ist schon etwas und ich sehe es durchaus positiv, während ich entsetzt zusammenzuckte, als mir meine inzwischen achtzehnjährige Tochter einmal ungerührt ins Gesicht sagte: Du bist eine Hobbyautorin!
Das nein, das bin und will ich nicht, schon deshalb nicht, weil diesem Wort immer noch etwas Ehrenrühriges, Diletantisches, Amateuerhaftes anhaftet und ich bemühe mich ja redlich seit fast dreißig Jahren.
Eine Hobbydichterin also nicht, auch wenn ich in meinen besten beruflichen Phasen soviel Steuer gezahlt habe, daß sich davon zwei Staatsstipendien ausgegangen wären, während ich nie ein solches bekommen habe, obwohl ich mich seit einigen Jahren wieder mit guten Gewißen und viel Selbstvertrauen darum bewerbe, weil es für mich literarische Anerkennung wäre und ich es mir auf der anderen Seite, durch die neuen Möglichkeiten des Digitaldruckverfahren auch leisten kann, meine Texte im sogenannten Book on Demand Verfahren herauszugeben und damit etwas zu machen, was ich zwar nicht will, aber doch eine Möglichkeit darstellt, mich zu präsentieren, wenn es schon nicht anders geht.
Poesie und Brotberuf. Für mich ist das kein Widerspruch, sondern ideale Ergänzung beider Seiten, obwohl mir das Schreiben immer wichtiger wird.
Ich glaube auch, daß meine Texte ohne die ständige Auseinandersetzung mit Menschen in Krisen ganz anders wären und ich für vieles den Blick nicht hätte, während meine Sensibilität und mein Ringen, um den Ausdruck sicher auch wieder in meine therapeutische Arbeit fließt. Das Schreiben hilft mir beim Burnout, um es noch einmal so brutal auszudrücken und ohne Psychotherapie könnte ich nicht leben. Denn das Übersetzen, Rezensieren, Verlegen von Texten anderer ist eine Seite, die mir nicht so liegt und es hat wahrscheinlich auch seinen Grund, daß ich mich 1971 entschloßen habe zu schreiben und Psychologie zu studieren, während mir ein Studium der Germanistik oder Publizistik nicht als ernsthafte Alternative erschienen ist. Und natürlich wäre ich gerne erfolgreicher, aber vielleicht kommt das noch.
Geschrieben für ein gleichnamiges Symposium das im April 2002 in "Poldis Galeriecafe" stattfand.
veröffentlicht in Frauen Schreiben, Abenteuer, Privileg oder Existenzkampf? Gespräch mit 17 österreichischen Autoren, Edition Roesner 2004