Ein braunrot kariertes Notizbuch

Wieder ein Corona-Text. Die Schriftstellerin Eja Augustin hat sich im Sommer in das elterliche Häuschen in St. Georgen am Steinfeld zurückgezogen, um dort einen Roman zu schreiben. Es ist die Zeit der wiedereingeführten Maskenpflicht und der Reisewarnungen.

Eja findet in der Bücherzelle am Viehofner See ein Notizbuch in dem einige Eintragungen stehen, die sich auf ein geplantes Festival beziehen.

Im Seedosen-Restaurant in das sie sich später auf einen Kaiserspritzer setzt, beobachtet sie ein streitendes Paar, das von einem Handy spricht, das der Freund der rothaarigen jungen Frau, ein Polizist namens Simon, in einen Blumentopf geworfen haben soll.

Das inspiriert Eja zu einer Romanidee, denn eine prekäre Philosophiestudentin hat sie noch in Wien bei einer Künstlerdemo getroffen und eine alte Klavierprofessorin bei einer Lesetheateraufführung, die sie ebenfalls dort besuchte

Dabei telefoniert sie viel mit ihrem Assistenten Viktor, in den sie sich fast ein wenig verliebt, während ihr an Alzheimer erkrankter Mann Egon, ein ehemaliger Universitätsprofessor, der von der slowakischen Personenbetreuerin Janina betreut wird, die Krise als einen dystopischen Roman erlebt.

1.

Im Radio wurden die neuen Corona-Zahlen durchgegeben, wo eine besorgte Männerstimme verkündete, daß sie erneut angestiegen wären, so daß sich die Bundesregierung überlege, die kürzlich gelockerte Maskenpflicht wieder einzuführen, als Eja Augustin das Häuschen in St. Georgen am Steinfeld betrat, wo sie den Sommer verbringen und den neuen Roman schreiben wollte.

„Finde ich gut, Mama, daß du aus der Großstadt geflüchtest bist! Immerhin gehörst du zu der besonders gefährdeten Riskogruppe!”, hatte ihre Tochter Antonia gesagt, als sie in St. Pölten Halt gemacht hatte, um der Enkeltochter Alix die gestern gekaufte Puppe zum ersten Geburtstag zu überreichen.

„Da, da!”, hatte die Kleine geplappert, das Stoffpüppchen an den Wollhaaren gezogen und wollte in die Arme genommen werden, was von Antonia verhindert wurde.

„Vielleicht sollten wir vorsichtig sein, Mama!”, hatte sie gesagt und das mit der Risikogruppe nicht wiederholt. Nur, daß es eine gute Idee wäre, wenn sie den Sommer, wo nach den Lockerungen und den Reisebewegungen eine zweite Welle zu erwarten wäre, im Großelternhaus zu verbringen.

„Wie jedes Jahr, weil ich keine große Reisende bin!”, hatte Eja gedacht und genickt, als Antonia meinte, daß sie und Alix sie nun öfter besuchen könnten.

„Ist St. Georgen doch nicht so weit von St. Pölten, wie Wien entfernt und eine Zugfahrt mit Maske wird mit der Kleinen sehr anstrengend sein!”

Eja, die die Kühlbox, den Computer und die zweite Reisetasche aus dem Auto räumte, hatte Antonia zugestimmt und von dem Roman erzählt, den sie in der Sommerfrische beginnen wollte.

„Cool!”, hatte die Tochter gemeint und wissen wollen, wovon er handeln würde, was Eja noch nicht so genau wußte.

„Es wird dir schon etwas einfallen, Mama!”, hatte Antonia zuversichtlich gemeint und ihren besorgten Gesichtsausdruck übersehen. Die kleine Alix hatte wieder „Da, da!”, vor sich hingeplappert und die Puppe zu Boden fallen lassen, worauf Antonia sie belehrte, daß man auf ein Geburtstagsgeschenk aufpassen müsse und das Püppchen nun traurig sei! „Wie wollen wir es nennen, Alix?”, hatte Antonia noch gefragt und sie mit dem Versprechen sie am Sonntag zu besuchen, zum Auto begleitet. Eja hatte die Fenster geöffnet und die mitgebrachten Lebensmittel in den Eiskasten geräumt.

„Vielleicht sollte ich, bevor die Maskenpflicht wieder eingeführt wird, noch schnell das nicht Vorhandene einkaufen!”, überlegte sie und hörte von einer positiv getesteten Schülerin, die im Zug von Linz, wo es gerade einen Corona-Hotspot gab, nach Tirol gefahren war und die Fahrgäste nun aufgefordert wurden, sich auf „Covid 19” testen zu lassen.

„Zum Glück bin ich nicht im Zug gefahren, so daß sich Toni keine Sorgen machen muß!”, dachte Eja, drehte das Radio ab und stellte die Reisetaschen auf das Bett. Den Laptop auf den Schreibtisch, dann nach dem Bleistift gegriffen, um die Einkaufsliste anzulegen. Das Fahrrad befand sich hinterm Haus. Sie pumpte es auf und wunderte sich nicht, daß sich im „Spar-Markt” nur wenige Kunden befanden und sich keiner über ihr unmaskiertes Gesicht aufregte. Nur ein älterer Mann sah sie etwas mißbilligend an. Aber vielleicht bildete sie sich das ein und sie mußte nicht in jeden, der Mund-Nasenschutz trug, einen Vernaderer vermuten, war doch die Maskenpflicht in den Geschäften seit einem Monat abgeschafft, auch wenn in den Medien in den letzten Tagen ständig zur freiwilligen Benützung aufgerufen worden war.

„Wer unsicher ist, soll sie weiter tragen!”, hatte eine besorgte Virologin geraten und Eja schüttelte den Kopf, weil sie sich nicht unsicher fühlte und eigentlich auch nicht über die Corona-Krise schreiben wollte, obwohl das sicher ein interessantes Thema war und sie das auch schon versucht hatte. Sie hatte aber noch die strenge Kritikerstimme im Ohr, die sich schon vor den vielen Corona-Romanen fürchtete, die im Herbst erscheinen würden. So schüttelte sie den Kopf und packte die Einkäufe in ihren Weidenkorb. Damit kam sie die nächsten Tage locker um die Runden. Milch und Eier würde sie beim Bauern bekommen. Brot und Gemüse konnte sie am Markt in St. Pölten besorgen und dahin konnte sie mit dem Rad fahren, denn sie wollte die Sommerfrische mit ausführlichen Touren verbinden und damit konnte sie am Nachmittag oder wenn das zu anstrengend war, da sie schon über Fünfundsechzig war, morgen beginnen, dachte Eja Augustin zufrieden und nickte sowohl dem älteren Mann, als auch der maskenlosen Kassiererin zu.